Stéphan Castang im Interview
VINCENT MUST DIE kommt bald in die Kinos. Wir sprachen mit Regisseur Stéphan Castang.
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VINCENT MUST DIE kommt bald in die Kinos. Wir sprachen mit Regisseur Stéphan Castang.
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Cannon Films stand in den 80er Jahren für ebenso dumpfe wie kurzweilige Krawumm-Streifen, die einigen Schauspielern zu einer Hollywood-Karriere verhalfen. Einer von ihnen war Michael Dudikoff: „American Fighter“ spielte 1986 das Zehnfache seiner Produktionskosten wieder ein – und so trat er in den folgenden Jahren nicht nur in drei Fortsetzungen, sondern auch weiteren B-Actionfilmen auf. Diesen Karriereschub verdankte er tatsächlich Chuck Norris. Da der eitle „Missing in Action“-Star für die Ninja-Szenen angeblich sein Gesicht nicht bedecken wollte, wurde das bis dahin in Sachen Kampfsport gänzlich unerfahrene Model für die Rolle des Joe Armstrong gecastet. Der Rest ist B-Movie-Geschichte.
PLATOON LEADER, der hier im Verleih von NSM Records erstmals als Single-Bluray auf Deutsch vorliegt, ist eine Kuriosität. Entgegen der meisten anderen Cannon-Filme wurde der ambitionierte Kriegs-Actioner nicht von Menahem Golan und Yoram Globus produziert und es ist der einzige Film im Oeuvre von Aaron Norris, bei dem sein Bruder Chuck nicht mitwirkte. So spielt also Michael Dudikoff Lieutenant Jeff Knight, der direkt von der Militärschule in den Vietnamkrieg fliegt. Er soll eine Kompanie befehligen, die das einzige nicht-kommunistische Dorf der Gegend schützen soll. Nach anfänglicher Ablehnung findet der strenge Offizier nach einer eigenen Verwundung und einigen gewonnenen Gefechten die Akzeptanz der Truppe rund um Sergeant Mc Namara (Robert F. Lyons). Doch wie heißt es so schön in der deutschen Unterzeile: „Der Krieg kennt keine Helden“…
Regisseur Aaron Norris ist nicht gerade für subtile und einfühlsame Kost bekannt – trotzdem bemüht er sich darum, PLATOON LEADER trotz etwas dick aufgetragenen Trauer-Trompeten-Score ein paar Denkanstöße zu verpassen. Wenn McNamara und Knight im letzten Filmdrittel mal in einer ruhigen Minute über den Sinn des Kriegsdiensts diskutieren („Er besteht darin, die Menschen dazu zu bringen, ihre Meinung zu ändern“), dann ist das durchaus mehr Tiefgang, als man von Chuckys Krawallbruder zugetraut hätte, der mit vielen blutigen, aber recht simpel choreografierten Shoot-Outs (zuweilen in Zeitlupe) und zahlreichen übertriebenen Explosionen die Wälder Südafrikas regelrecht rodete. Ungleich plumper geht er mit dem Problem des Drogenkonsums von Soldat Bacera um: Hier sollte man lieber nicht hinterfragen, wie er an den ganzen Stoff gelangt ist, um sich den goldenen Schuss zu setzen.
Das HD-Master von PLATOON LEADER überzeugt durch eine gestochen scharfe Bildqualität. Zugleich wurde aber auch die Farbsättigung dermaßen hochgedreht, dass nicht nur der Dschungel viel grüner und saftiger, sondern Gesichter oft grau, dunkelbraun oder puterrot erscheinen, wenn sie bei in flächigem Schwarz versinkenden Nachtszenen überhaupt zu sehen sind. Extras sind abseits von zwei Trailern nicht auf der Scheibe zu finden. Unterm Strich bleibt eine kultige und brachiale B-Action-Granate, die – und das ist das Überraschende – auf Pathos gänzlich verzichtet.
LUTZ GRANERT
Titel: PLATOON LEADER (uncut)
Label: NSM Records
Land/Jahr: USA 1988
FSK & Laufzeit: ab 16, ca. 96 Min.
Verkaufsstart: veröffentlicht
Vietnamkrieg, Michael Dudikoff, Platoon Leader, NSM Rcords, Cannon Films
Luc Besson bescherte dem Publikum zahlreiche Helden, die sich wie „Léon – Der Profi“ im gleichnamigen Film oder Korben Dallas in „Das fünfte Element“ ins kinematografische Gedächtnis eingebrannt haben. Douglas Munrow aus DOGMAN gehört nun ein Ehrenplatz in dieser Ahnengalerie – auch, weil er wohl einer der tragischsten Charaktere in Bessons 40 Jahre umfassendem Filmuniversum ist.
Seit er in seiner Kindheit von seinem lieblosen Vater angeschossen wurde, steckt bei Douglas Munrow (Caleb Landry Jones) eine Kugel an einer komplizierten Stelle im Rücken. Der an den Rollstuhl gefesselte Hundefreund arbeitet nach einem Biologie-Studium in einem Tierheim. Als das geschlossen wird, zieht er mit Hilfe Dutzender Hunde, mit denen er im heruntergekommenen Gebäude einer ehemaligen Schule zusammenlebt, eine Reihe an Diebstählen durch – was nicht unbemerkt bleibt... 
Diese tragische Lebensgeschichte erzählt Munrow in Rückblenden aus dem Gewahrsam – aber ohne Groll. Aus der Möglichkeit, jemand anderes sein zu können, entdeckte er seine Liebe zum Verkleiden – die ihn bei einem stehenden (!) Gesangsauftritt bis auf die Bühne eines Travestietheaters führte. Besson schlägt in DOGMAN zuweilen auch schrille Töne an, bleibt aber beim Erzählen souverän: Spannend, packend und mit wohldosiertem Actionanteil ordnet er die vergangenen Episoden aus dem Leben von Munrow nicht immer chronologisch an, der vom spielfreudigen Caleb Landry Jones („Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“) einnehmend und charismatisch verkörpert wird. Insbesondere beim Finale rührt er dabei zu Tränen. DOGMAN ist eine immer wieder überraschende filmische Wundertüte, bei der man nie weiß, welchen doppelten Boden Regisseur und Drehbuchautor Besson eingebaut hat!
Und von wegen CGI: Ganze Arbeit leisteten auch die Tiertrainer von zahlreichen Hunden am Set – die dem menschlichen Ensemble durch ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten hin und wieder die Show stehlen. Folgerichtig wird den tierischen Darstellern auf der vorliegenden Bluray von capelight auch eins von vier kurzen Featurettes gewidmet – Besson selbst berichtet nur kurz (99 Sekunden) von seiner Unsicherheit, wie sein Film wohl beim Premierenpublikum in Venedig ankommt. Neben ein paar Trailern und einem Musikvideo (Sateen: „Autumn Star“) war’s das auch schon mit den überschaubaren Extras.
LUTZ GRANERT
Titel: DOGMAN
Label: capelight pictures
Land/Jahr: Frankreich 2023
FSK & Laufzeit: ab 16, ca. 115 Min.
Verkaufsstart: veröffentlicht
Luc Besson, Caleb Landry Jones, Dogman, home entertainment, hunde
Ab heute ist der Film BERLIN BYTCH LOVE in den Kinos. Ob der Film einen Besuch wert ist, erfahrt Ihr hier.
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Vor etwas mehr als einem Jahr traf ich Sandra Hüller während der Berlinale in den Räumlichkeiten des Verleihs DCM, um mit ihr über „Sisi & Ich“ zu sprechen. Die Filmfestspiele von Cannes, auf dem ihr nächster Film ANATOMIE EINES FALLS Premiere feiern und mit der Goldenen Palme ausgezeichnet werden sollte, lag noch in weiter Ferne – und dass sie für einen Oscar als Beste Hauptdarstellerin nominiert werden könnte, war damals natürlich auch noch nicht abzusehen. Mir begegnete eine ebenso reflektierte wie zugewandte und sympathische Frau, die zu ihrer Herkunft steht, wie sie kürzlich auch US-Talkmaster Jimmy Kimmel erklärte. Sie komme aus Thüringen, das sei „the green heart of Germany“ - und von der Oscarnominierung habe sie erfahren, als sie gerade den Müll raus brachte.
Genau diese natürliche Authentizität ist es, mit der Sandra Hüller in ANATOMIE EINES FALLS verfängt. Wenn ihre Figur, eine Romanautorin, in Rückblenden mit ihrem Ehemann (Samuel Theis) eskalierend darüber streitet, dass er beim Unterrichten des gemeinsamen Sohnes (Milo Machado-Graner) kaum mehr Zeit für sich hat, dann wirkt das glaubwürdig. Wenn sie nach dem rätselhaften Tod ihres Ehemanns – war der Sturz aus dem Dachfenster es ein tragischer Unfall, war es Mord? - vor Gericht nonchalent zwischen Französisch und ihrer Muttersprache Deutsch wechselt, bedarf es bei der inneren Aufgewühltheit ihrer Figur keiner Erklärung. Ein lesbischer Seitensprung? Wirft kein gutes Licht auf ihre widersprüchliche Figur, die sich (natürlich!) vehement um Einordnung bemüht. Es sind keine großen Gesten, mit denen Sandra Hüller spielt, bis sie (scheinbar) komplett mit ihrer Figur verschmilzt.
Das passt hervorragend zum realistischen Stil von Justine Triet, die für Regie und Drehbuch ebenfalls für den Oscar nominiert ist: In nüchternen Bildern und ohne großes musikalisches Brimborium fokussiert ANATOMIE EINES FALLS ohne ablenkendes Beiwerk den Gerichtsprozess und die fragile Beziehung des Ehepaars. Das tut der Film vielleicht etwas zu gründlich (und sicher für Wenige mit unbefriedigendem Ausgang), was man bei einer Laufzeit von 145 Minuten auch negativ ankreiden könnte. Auf der DVD ist als überschaubarer Bonus neben einem 7-minütigen französischen Feature zum Hundetraining ein 9-minütiges Interview von „Spätvorstellung – Das Kinomagazin“ mit Sandra Hüller enthalten. Regisseurin und Co-Autorin Justine Triet wusste vermutlich, was sie „gut können würde oder so“, so die Ausnahmeschauspielerin über ihre Besetzung bescheiden – was dann doch wenig überraschend ist.
LUTZ GRANERT
Titel: ANATOMIE EINES FALLS
Label: Plaion Pictures
Land/Jahr: Frankreich 2023
FSK & Laufzeit: ab 12, ca. 145 Min.
Verkaufsstart: 29. Februar
Anatomie eines Falls, Oscars2024, plaion pictures, sandra hüller