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Ein Untoter und zauberhafte Damen in Ausbildung

Ein Klassenraum voller Geheimnisse, Spannung und dem mysteriösen Hauch der Spionage: SPY CLASSROOM hat all das und noch mehr. Einen charmanten Cast in einem ungewöhnlichen Setting – aber irgendwie hat die Anime-Adaption die Light Novel von Takemachi in den Mixer geworfen und die Erzählstruktur gleich mit püriert. Herausgekommen ist ein merkwürdig-lustiges Anime-Vergnügen – mit ein paar Schwächen.

Eine Welt ohne Kriege – wer wünscht sich das nicht? Wer will nicht dass alles Töten und Morden ein Ende hat? Diese Utopie wird in SPY CLASSROOM Wirklichkeit. Allerdings bleiben Machtspiele keineswegs aus, doch statt Soldaten führen Spione die Kriege im Stillen.

Ein Team aus mehreren hübschen Damen steht unter der Leitung des mysteriösen Superspions mit dem klangvollen Namen Klaus. Angeblich hat er jede ihm gegebene Mission überlebt – und kam daraus zurück, mit der Sozialkompetenz eines Kühlschranks. Er soll das neue Team nun auf eine „unmögliche Mission“ vorbereiten. Doch statt eines Lehrkonzepts heißt es: „Trial-and-Error“ – wobei Error an der Tagesordnung ist.

Die Schülerinnen – darunter die enthusiastische Lily, die stille Erna und die sarkastische Grete – sind allesamt charmant, aber anfangs eher Kanonenfutter als Geheimwaffen. Doch mit jeder Folge wächst das Team zusammen, lernt Tricks, Täuschungen und wie man Klaus gekonnt auf der Nase herumtanzt – und dem scheint das sogar zu gefallen.

Einstieg mit Stolperdrähten

Für die Review haben wir die ersten sechs Folgen des Animes erhalten – die Autorin kennt die Light Novel. Die ersten Episoden versuchen, Charaktere, Setting und Spannung unter ein Dach zu bringen. Leider ist das Haus hier noch ein Rohbau und nicht bezugsbereit.

Die Erzählstruktur kann Einsteiger ein wenig verwirren: Während Folge 1 im Schnelldurchlauf die Figuren vorstellt, springen die Folgen 2 und 3 zur ominösen „großen Mission“, wobei an Details gespart wird. In Folge 4 gibt es plötzlich ein Flashback, das 20 Tage vor der großen Mission spielt, die in den vorherigen Episoden bereits angedeutet wurde. Die Episode fokussiert sich auf Erna, das neueste Mitglied des Spionageteams, und beleuchtet ihre Vergangenheit.

Zeit für Charakterentwicklung schafft der Anime später – und so sind die ersten vier Folgen ein holpriger, aber gut umrissener Start in die Serie.

Spionage mit Stil

Produziert wird der Anime vom Studio feel („Hinamatsuri“), das für unauffällige, aber solide Animationen bekannt ist – für ein Spionage-Werk also perfekt geeignet.

Der Zeichenstil ist klar und sauber, der Fokus liegt auf den Figuren. Die Damen sind liebevoll gestaltet, jede hat ihr eigenes, unverkennbares Farbschema und ein Design, das ihre Persönlichkeit unterstreichen soll – von Lilys blumiger Fröhlichkeit bis hin zu Ernas dunklem, melancholischem Look.

Entsprechend wenig beeindruckend, dafür aber funktional sind die Hintergründe. Pastellige und weiche Töne dominieren und verleihen dem Spionage-Thema in Kombination mit den Farbgebungen der Figuren einen fast märchenhaften Touch.

Aufregende Kämpfe sind thematisch bedingt nicht zu erwarten. Die wenigen Action-Szenen sind dafür solide und setzen auf taktisch-kluge Bewegungen statt auf schnell aneinandergereihte Aufnahmen. Statische Szenen dominieren und setzen den Fokus auf Dialoge und Close-ups der Figuren – was den Anime manchmal wie einen vertonten Manga wirken lässt. Und verdammt gut fürs Auge ist es, wenn eine Szene perfekt animiert ist.

Hervorzuheben ist die deutsche Synchronisation. Die deutsche Fassung von SPY CLASSROOM wurde von der Münchner Firma @alpha Postproduktion produziert – einem Studio, das sich auf Anime-Synchronisation spezialisiert hat und bereits viele bekannte Titel vertonte, darunter „Darwin’s Game“ und „The Misfit of Demon King Academy“. Die Stimmen passen zu den Charakteren, die Emotionen kommen glaubwürdig rüber, und die Dialoge sind angenehm natürlich – ohne zu sehr vom japanischen Original abzuweichen.

Unterschied zum Hauptwerk

Die Light Novel SPY CLASSROOM erscheint erstmals am 18. Januar 2022. Neben den Hauptbänden umfasst die Reihe zahlreiche Short-Story-Sammlungen, die Hintergrundgeschichten zu den einzelnen Figuren liefern.

Der Anime weist deutlich weniger Struktur und Erzähltempo auf. So ist Erna als achte Spionin ein großer Twist in der Light Novel und bleibt durch Takemachis geschickte Erzählweise lange verborgen – im Anime steht sie plötzlich im Bild, und weg ist der Twist.

Auch mit der Chronologie nimmt es die Serie weniger genau – leider zulasten der emotionalen Wirkung mancher Episoden. So kommen die Folgen, die die „Mission“ einläuten, anders als in der Novel vor den eigentlichen Beziehungsaufbau-Episoden. Man fragt sich deshalb schnell, warum die Damen plötzlich mit Klaus in einem Bett schlafen, obwohl sie in Folge 1 noch wie Hund und Katze waren.

Der Tiefgang der Figuren, der die Light Novel zu einem absoluten Lesevergnügen macht – inklusive Monologen und psychologischen Entwicklungen – wird im Anime zugunsten von Tempo und visuellen Reizen stark reduziert. Das geschieht ungünstigerweise auf Kosten der Erzählsubstanz der Vorlage.

Spione mit Potenzial – aber bitte mit mehr Planung!

SPY CLASSROOM ist wie ein Spion, der beim Schleichen über die eigenen Schnürsenkel stolpert. Die Idee ist cool, die Charaktere haben Charme, und die Welt bietet viel Spielraum. Aber die Umsetzung in den ersten vier Folgen ist holprig, verwirrend und verschenkt viele Stärken der Vorlage.

Wer durchhält, wird ab Folge 8 wohl belohnt – aber bis dahin braucht man Geduld, ein gutes Gedächtnis und vielleicht ein bisschen Humor.

LILI SCHMIRGAL

Titel: SPY CLASSROOM
Label: peppermint anime GmbH
Land/Herstellungsjahr: Japan, 2023
Laufzeit: ca. 150 Min.
FSK: 16
Verkaufsstart: Veröffentlicht
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