Zum Hauptinhalt springen

Musik trifft bewegte Bilder

„Warum willst du etwas erschaffen?“ – diese Frage steht wie ein leiser Takt hinter jedem Bild und jeder Szene des Animes A FEW MOMENTS OF CHEERS. Der Debütfilm von Regisseur POPREQ ist eine klassische Coming-of-Age-Geschichte, erzählt mit einer Feinfühligkeit, die ihresgleichen sucht.

Im Zentrum steht Kanata Asaya, ein Highschool-Schüler mit einer brennenden Leidenschaft für Musikvideos. Eines Abends entdeckt er zufällig eine Straßenmusikerin mit einer Stimme, die ihn nicht nur elektrisiert, sondern auch tief im Herzen und in der Seele berührt.

Wie sich herausstellt, ist die geheimnisvolle Sängerin mit der Engelsstimme seine neue Lehrerin Yu Orie. Was zunächst wie ein kitschiges Lehrer-Schüler-Drama wirkt, wird genau das nicht – vielmehr stellen die Figuren Fragen nach dem Wert von Kunst, ihrer Bedeutung und danach, ob Kunst überhaupt Kunst ist, wenn sie niemand sieht. Es ist ein stilles Ringen um Ausdruck, das beide auf einen Weg der Selbstfindung führt.

Auf große Twists verzichtet der Film. Stattdessen lebt er von kleinen Momenten, die auch im Alltag des Zuschauers schon aufgetreten sein könnten – ein Blick, ein missverstandener Satz oder ein Lied, das oft mehr sagt als seitenlange Dialogzeilen.

Thematisch greift der Film tief in die menschliche Psyche: von Selbstaufgabe für andere über kreative Erschöpfung bis hin zur Frage, ob Talent allein genügt, um erfolgreich zu sein und Träumen nachzujagen.

Wenn Licht und Farbe tanzen

A FEW MOMENTS OF CHEERS ist visuell ein absolutes Meisterwerk. Studio Hurray zeichnet für die Umsetzung verantwortlich und arbeitet mit einer Mischung aus 3D-Cel-Shading und handgemalten Hintergründen – technisch makellos und emotional präzise eingefangen.

Die Lichtsetzung ist ein Gedicht: von nebligen Straßenlaternen bis zu warmen Sonnenflecken auf Yu Ories Gesicht. Keine einzige Szene ist unsauber, ungenau oder verwaschen – für ein Debütwerk nicht weniger als ein Geniestreich.

Natürlich dreht sich das Werk um Musik – entsprechend fokussiert sich der Anime stark auf diesen Aspekt. Das Team weiß, was es tut: Rhythmus, Bildkomposition und Emotionen verweben sich zu einem dichten Netz, das wie ein Gedicht wirkt – manchmal verspielt, manchmal schmerzhaft ehrlich.

Auch im Deutschen hervorragend

Die deutsche Fassung glänzt mit einer hochwertigen DTS-HD-Master-Audio-5.1-Tonspur – kurz gesagt: ein Fest für Kopfhörer und Musikliebhaber. Die Dialoge sind klar und verlustfrei abgemischt, mit einer angenehmen Dynamik, die dem Film Raum und Tiefe verleiht – besonders in den ruhigen Szenen, in denen beide Protagonisten gemeinsam im Bild sind.

Den emotionalen Ton der japanischen Originalfassung treffen die deutschen Synchronsprecher erstaunlich gut, ohne ins Überdramatische zu verfallen. Sie übersetzen nicht nur – sie verstehen ihre Figuren, und das in jeder Sekunde des Films.

Ein großes Lob verdient die Entscheidung, die japanischen Lieder nicht einzudeutschen, wie es bei ähnlichen Filmen oft geschieht. Stattdessen wurden deutsche Untertitel eingesetzt. So bleibt die musikalische Authentizität – das Herzstück des Films – vollständig erhalten.

Ein stiller Applaus für die leisen Töne

Dieser Film ist alles, nur nicht laut. Er ringt nicht um Aufmerksamkeit, sondern flüstert mit der Essenz seiner Lieder – mit seinem Herz. Die ruhige, pointierte Erzählweise und die zwischen Traum und Realität tanzende Animation machen A FEW MOMENTS OF CHEERS zu einem absolut gelungenen Debüt für Regisseur POPREQ. Nicht nur Anime-Fans sollten diesem Film eine Chance geben, sondern auch alle, die Musik lieben, kreativ sind oder auf ihre Weise mit der Kunst verbunden.

Und falls du dich beim Schauen fragst, ob du selbst genug bist, um etwas Schönes zu erschaffen – der Film antwortet mit einem liebevollen Nicken: „Du bist es. Und du warst es schon immer.“

LILI SCHMIRGAL

Titel: A FEW MOMENTS OF CHEERS
Regie: POPREQ
Label: Polyband Anime
Länge: 68 Minuten + 45 Bonusmaterial
Land: Japan / 2024
FSK: ab 6
  • Erstellt am .