Zum Hauptinhalt springen

Zurück aus dem Giftmüll: Mutiert der TOXIC AVENGER zum Blockbuster?

Ein Remake von Citizen Kane? Undenkbar! Aber was, wenn das Original kein unantastbares Meisterwerk, sondern ein Trash-Klassiker wie der  TOXIC AVENGER  war? Kann das gut gehen – und sollte es das überhaupt?

Als der TOXIC AVENGER 1984 die Leinwand betrat, spaltete er nicht nur die Köpfe seiner Widersacher. Auch Kritiker und Publikum waren gespalten: Für die einen war der Film ein subversives Punk-Meisterwerk, für die anderen eine geschmacklose Gewaltorgie, die mit Genuss jede Grenze des guten Geschmacks sprengte. Doch genau diese Kontroverse beflügelte den Erfolg: Die groteske Heldenreise des schüchternen Melvin, der nach einem Mobbing-Angriff und einem Tauchgang im Giftmüllfass zum monströsen Antihelden „Toxie“ mutiert, wurde zum Überraschungshit. Toxie selbst wurde das Gesicht des Trash-Studios Troma Entertainment. Drei Fortsetzungen, Videospiele, Comics, eine Zeichentrickserie und sogar ein Musical folgten – bis der toxische Rächer um die Jahrtausendwende endgültig im Giftschrank der Popkultur zu verschwinden schien.

Der lange Weg zurück auf die Leinwand

2010 dann ein erstes Lebenszeichen. Toxie sollte ein familienfreundliches Remake bekommen – mit niemand Geringerem als Arnold Schwarzenegger in der Hauptrolle. Doch es dauerte viele weitere Jahre, bis die Rückkehr der Kultfigur beschlossene Sache war – diesmal unter der Ägide von Legendary Pictures – mit Unterstützung von Tromas Gründern Lloyd Kaufman und Michael Herz. Die Regie übernimmt diesmal Macon Blair (Green Room), der laut Aussage von Kaufman ein echter Fan des TOXIC AVENGER ist. Alles beim Alten also? Mitnichten!

Das Reboot ist keine bloße Nacherzählung des Originals. Das wäre auch schwierig gewesen. Schließlich war dessen Geschichte höchstens ein Feigenblatt. Im Nachhinein mag man die Urversion als Kommentar auf das Amerika der Reagan-Ära, Umweltverschmutzung und Körperkult lesen. Doch Troma ging es seit jeher mehr um die Verhöhnung filmischer Konventionen. Das „Wie“ war stets wichtiger als das „Was“. Schrill, dreckig und kompromisslos. Ein schrilles, dreckiges, Do-it-Yourself-Splatterfest, das keiner klassischen Struktur folgt. Anstelle eines gemütlichen Filmabends erwartete das Publikum ein anarchistischer Abnutzungskampf in Filmform.

Vom Punk zum Spießer?

Die Neuauflage von THE TOXIC AVENGER wirkt dagegen beinahe kleinbürgerlich. Statt eines nerdigen Teenagers, dessen größtes Problem seine mangelnde Attraktivität ist, steht diesmal ein Mensch mit existenziellen Problemen im Zentrum der Geschichte. Der alleinerziehende Vater Winston Gooze – gespielt von Peter Dinklage (Game of Thrones) – arbeitet als Hausmeister für den skrupellosen Pharmaunternehmer Bob Garbinger (Kevin Bacon, Tremors). Dessen Fabrik verpestet die Umwelt im Städtchen St. Roma’s Village derart, dass die Krebsrate astronomisch in die Höhe schießt.
Nachdem Winstons Frau bereits einem Tumor erlegen ist, erhält auch er selbst eine niederschmetternde Diagnose. Als Garbinger ihm kaltherzig eine potenziell lebensrettende Behandlung verweigert, sieht Winston keinen anderen Ausweg und plant einen Überfall auf seinen Arbeitgeber. Doch dieser wittert eine Verbindung zu einer Umweltaktivistengruppe, die seine Machenschaften bedrohen könnte, und setzt seinen Bruder Fritz (Elijah Wood, Herr der Ringe) darauf an, Winston zu beseitigen. Dieser wiederum schickt die gewaltbereite Rockband „Killer Nutz“ als Schlägertrupp los. Wie schon im Original nimmt das Schicksal seinen Lauf: Winston wird in einem Tank voller Giftmüll entsorgt – und mutiert zum Toxic Avenger …

Zwischen Breitentauglichkeit und Trash-Image

Schon das Ensemble aus beliebten Stars verdeutlicht: Hier handelt es sich nicht um einen Indie-Film, der nach eigenen Regeln spielt oder diese gar neu schreibt. Um eine Chance auf dem Markt zu haben, muss das Reboot eine gewisse Breitentauglichkeit entwickeln. Bekannte Gesichter und echte Emotionen. Dass der Film trotzdem frech wirkt, ist vielleicht der Tatsache zu verdanken, dass die Welt um ihn herum erzkonservativ geworden ist. Die Neuauflage lässt sich zwar zu Kommentaren auf die aktuelle Weltlage hinreißen – so werden etwa Polizeigewalt, Proud Boys und Fox News durch den Kakao gezogen. Dem liegt im Gegensatz zum Original aber keine inhärente Anti-Haltung zugrunde. Punk kann man nicht erzwingen. Der wohldosierte Rotz des Remakes entspringt vielmehr der Notwendigkeit, sich am Look and Feel der Vorlage orientieren zu müssen.

Die vergleichsweise konventionelle Herangehensweise der Neuauflage bietet aber auch Vorteile. Während Toxie im Ur-Film keine ernsthaften Gegner zu fürchten brauchte, liefern ihm die Widersacher des Remakes einen harten Kampf. Zudem hat sich Macon Blair für die Schurkengalerie einige einprägsame Figuren erdacht, die genauso auch aus einem alten Troma-Film stammen könnten.

Rotzige Patina

Erfreulicherweise rettet das Remake auch die rau-schmierige Optik des Originals in die Gegenwart. Statt auf einen glatten CGI-Look zu setzen, vertraut der Regisseur auf das Handwerk. Bei den zahlreichen Splatter-Szenen, die das Franchise prägen, kommen zwar auch computergenerierte Effekte zum Einsatz, doch sie dominieren nie und fügen sich optisch meist nahtlos in das Gesamtbild ein.

In diesem Zusammenhang ist positiv zu erwähnen, dass Toxie immer noch von einem Menschen in einem Kostüm verkörpert wird – in diesem Fall Luisa Guerreiro (Schneewittchen). In ihrer Performance steckt so viel Spielfreude, dass man sich fragt, ob sie nicht auch den Part von Peter Dinklage hätte übernehmen können.

Das engagierte Ensemble ist generell ein Plus der Neuauflage. Alle Beteiligten sind mit spürbarer Energie dabei und liefern durchweg herrlich überzeichnete Darbietungen ab, die den Charme des Klassikers in die Gegenwart transportieren.

Toxie, der Held der Stunde?

Am Ende bleibt festzuhalten, dass Toxies Neustart den anarchistischen Geist des Originals nur teilweise einfangen kann – und wenn, dann vor allem im ungebremsten Gewaltgrad und auf der visuellen Ebene. Dafür entwickelt das Remake eigene Qualitäten und einen eigenen Humor. Zwar trifft nicht jeder Gag sein Ziel, aber B-Movie-Fans dürfen sich freuen: Der Spagat zwischen Mainstream und Trash ist gelungen und eine quälend lange Durststrecke für Troma-Fans endet. Endlich dürfen sie wieder einen Film auf der großen Leinwand erleben, der den Troma-Spirit der 80er feiert. Und wer weiß, vielleicht markiert der neue Toxic Avenger sogar den Auftakt einer Renaissance des B-Movies. Mit Remakes von Red Sonja und Deathstalker klopfen die nächsten Kultfiguren schon an den Türen der Kinos. Wer diesen Trend unterstützen – und nebenbei eine gute Zeit im Kino haben möchte – sollte sich Toxies Rückkehr nicht entgehen lassen.

KAI STERNBERG

Titel: THE TOXIC AVENGER
Label: Capelight Pictures
Land/Jahr: USA 2025
FSK & Laufzeit: ab 18, ca. 102 Min.
Kinostart:  25. September

Bilder: TM & © 2025 Legendary

  • Erstellt am .