Eine ganze Welt im Kopf
Das berührende Fantasydrama THE LIFE OF CHUCK tanzt sich berührend und mit purer Kino-Magie ins Herz des Publikums.
Stephen King gilt als einer der bedeutendsten und berühmtesten Schriftsteller von Horror-Literatur überhaupt. Die Liste von Verfilmungen ist entsprechend lang – wobei die Adaption von Geschichten, in denen das Grauen eine stark untergeordnete Rolle spielt, gemeinhin zu den besten zählen. „Stand By Me – Das Geheimnis eines Sommers“ (1986) analysierte anhand eines gemeinsamen Trips von vier Halbwüchsigen wehmütig den Wert von Freundschaft, „Die Verurteilten“ (1994) zeichnete sich durch einfühlsame Schilderungen des harten Gefängnisalltags und der Hoffnung im Herzen der Häftlinge aus. In dieser hochklassigen Reihe steht nun das berührende und famos gespielte Fantasy-Drama THE LIFE OF CHUCK, das auf einer gleichnamigen, 2020 erschienen Novelle von Stephen King basiert, der bei der Leinwandversion höchstselbst als Co-Produzent mit an Bord ist.
Große Teile des US-Bundesstaats Kaliforniens sind ins Meer gestürzt, in Deutschland ist ein Vulkan ausgebrochen, Japan wurde verstrahlt: Über die Menschheit ist die Apokalypse hereingebrochen. Und während des unmittelbar bevorstehenden Weltuntergangs wundern sich der Lehrer Marty Anderson (Chiwetel Ejiofor) und seine Ex-Frau, die Krankenpflegerin Felicia Gordon (Karen Gillan), über allgegenwärtige Werbetafeln. Darauf wird dem völlig unbekannten Chuck Krantz (Tom Hiddleston) für „37 wunderbare Jahre“ gedankt. Doch was hat es damit auf sich und wer ist dieser enorm bieder aussehende Buchhalter?

Die Antwort auf diese Frage folgt nach diesem ersten in zwei weiteren Kapiteln, in denen rückwärts die Lebensgeschichte der Titelfigur erzählt wird. Beginnend mit seinem frühen Tod, springt der Film zunächst neun Monate zurück. Wenn Chuck und Zufallsbekanntschaft Janice zu beschwingten Schlagzeugrhythmen von einer Straßenmusikerin entfesselte Tänze verschiedener Stile aufs Asphalt-Parkett der Fußgängerzone legen, entfaltet sich in dieser deutlich an Tanzfilm-Klassiker mit Fred Astaire erinnernde Szene jene surreal anmutende und mitreißende (Kino-)Magie, die Chuck bereits in seiner von Verlust geprägten Kindheit am Fernseher erlebte. Immer stärker tauchen wir ein in Chucks Kopf, in dem vor dem letalen Zusammenbruch eine ganze Welt voller „Vielheiten“ entstanden ist. Figuren tauchen in den einzelnen Kapiteln in anderen Konstellationen ebenso wieder auf wie ein zentraler Satz aus dem Gedicht „Song Of Myself“ von US-Dichter Walt Whitman. Auch deshalb lohnt sich unmittelbar danach eine weitere Sichtung, um alle wiederkehrenden Elemente zu entdecken.
Regisseur und Drehbuchautor Mike Flanagan, der zuvor mit „Doctor Sleeps Erwachen“ (2019) eher klassische Horror-Kost von Stephen King adaptierte, gelingt ein ebenso verwobenes wie berührendes Drama, das sich durch seine starken und sympathischen Charaktere auszeichnet. Der Brite Tom Hiddleston ist nach diversen Auftritten als zynischer Loki aus diversen „Thor“-Comicverfilmungen als zunächst steifer, aber lebenslustiger Anzugträger kaum wiederzuerkennen. Ebensowenig wie Mark Hamill („Krieg der Sterne“, 1977) als ebenso verschrobener wie versoffener Großvater, der bei seinem der Faszination des Tanzens verfallenen Enkel die Leidenschaft für Mathematik und Zahlen einimpft. Poetisch, witzig, liebenswert und zu Tränen rührend erzählt THE LIFE OF CHUCK von einem gescheiterten Leben – und trifft dabei jenseits der Genregrenzen mitten ins Herz. Ein kluges, berührendes und mitreißendes Stück sommerliche Kino-Magie!
LUTZ GRANERT
Titel: THE LIFE OF CHUCK
Verleih: Tobis Film
Land/Jahr: USA 2024
FSK & Laufzeit: ab 12, ca. 111 Min.
Kinostart: 24. Juli
Tanz, Tom Hiddleston, Apokalypse, stephen king
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