Zum Geburtstag der Schöpfer: Batman mal anders
Zum Geburtstag der Schöpfer: Batman mal anders: Von diesen Fledermaus-Wesen habt ihr garantiert noch nichts gehört!
Dieses Jahr würde Zeichner Bob Kane (1915–1998) seinen 110. Geburtstag feiern. Er und Autor Bill Finger (1914–1974) und erschufen den Rächer im Fledermauskostüm. In „Detective Comics“ (später DC Comics) vom 30. März 1939 feierte Batman sein Debüt mit der Geschichte „The Case of the Chemical Syndicate“ (dt. „Der Fall des Chemie-Syndikats“). Der Rest ist Geschichte und wurde schon etwa 34.656,65-mal durchgekaut. Mehr oder weniger, eher mehr.
Das DC-Universum und mit ihm der düstere Superheld mit dem wallenden Umhang wuchsen seitdem zu einem globalen Phänomen, das buchstäblich jedes Kind von Mexiko bis Island und von Neuseeland bis zur Türkei kennt. Die Gretchenfrage ist: Wo aufhören, wo anfangen, um diese Figur und ihren popkulturellen Siegeszug zu würdigen?
Vielleicht auf diese Art: in Mexiko und der Türkei. Wie bitte, ist der Autor jetzt übergeschnappt? Warum ausgerechnet in diesen Ländern? Weil unzählige Bücher, Blogs und Lego-Sets viel besser das Batman-Universum ausgeleuchtet haben, als es der Autor dieser Zeilen je könnte. Und weil dieser Redakteur keinen KI-Kumpel hat, um hier einen Text herzaubern zu lassen, widmet er sich gewissermaßen dem Anti-DC-Universum. Er zieht darum Schrift- und Filmgut (Buchautoren Christian Kessler, Ed Glaser und Dokumentarfilmer Cem Kaya) und eigene (Seh-)Erfahrungen zurate. Denn die beiden kaum außerhalb von Geeks bekannten Nicht-Hollywood-Kulturen werden hierzulande bislang kaum beachtet und zeigen Aspekte von Batman, die mindestens überraschen, aber vor allem unterhaltsam sind.
Aber seid gewarnt: Hier wird das Batman-Franchise einmal in den Mixer gestopft, Taco-Soße und Dönerfleisch hinzugeschüttet, fein durchgequirlt und in seiner wahren Pracht ins Gesicht geklatscht. Das Beste daran: Es schmeckt vorzüglich!
Beispielhaft sind „La Mujer Murciélago“ (Bat Woman, René Cardona, 1968) und „Yarasa Adam: Bedmen“ („Bat Man“, „Günay Kosova“, 1973) genannt. Über diese obskuren, aber filmhistorisch hoch spannenden Streifen ist (noch) wenig bekannt. Ersterer ist vom britisch-amerikanischen Qualitätslabel Indicator in einer famosen, englisch untertitelten Edition auf Blu-ray mit Tonnen von Extras (u. a. ein Buch in der limitierten Auflage) 2024 erschienen, sein türkischer Freund hingegen ist nur als ein ranziger TV-Rip (ohne Untertitel) im Internet zu finden.
Ein Plot geht ungefähr so: Jemand killt die hübschesten Mädels in Istanbul. Um den Mörder zu finden, werden Robin und Batman gerufen. Sonderlich nobel und düster wie die großen Vorbilder gehen die Jungs bei ihrer Jagd übrigens nicht vor: Sie amüsieren sich in Stripclubs, rauchen, saufen, schleppen Frauen ab und benutzen Schusswaffen. In (mutmaßlich) quietschbunten Capes mit einem Vogel-Logo auf der Brust lassen die Superhelden echt die Sau raus. Das ist unglaublich witzig (ohne auch nur ein Wort zu verstehen, muss man auch nicht) und dermaßen gegen den Strich: So habt ihr die Superhelden garantiert noch nicht gesehen!
Das kann man übrigens auch von der mexikanischen Batwoman behaupten. Das weibliche Pendant zur Fledermaus hatte noch niemand erfunden (Latex-Catwoman, erstmals 1940 erschienen, zählt nicht, die ist nur eine kratzbürstige Miezekatze), das erledigte aber Cardona dankenswerterweise. Das hatte – wie in der Türkei – urheberrechtliche Gründe. Klar erkennbar, aber doch so weit verfremdet, dass es keine Probleme mit dem DC-Franchise geben würde.
Hier spielen kulturelle Besonderheiten eine große Rolle: Unglaublich erfolgreich waren seit den 1930ern maskierte Wrestler (z. B. El Santo und Blue Demon), die auch massenweise in billig produzierten Kinofilmen auftraten. Warum also nicht auch eine maskierte Frau durch die Reihen der Bösen prügeln lassen, was sonst nur die Männer konnten? Frühes Female-Empowerment made in Mexico! Und so schipperte im Fahrwasser von „Batman: The Movie“ (1966) der umtriebige Regisseur und Schauspieler Cardona (jeweils mehr als 100 Filme tragen seine Handschrift) herum und ließ sich zu diesem famosen Quatsch inspirieren.
Worum geht’s in dem mexikanischen Film? Wrestler werden reihenweise ermordet an den Strand gespült. Die Polizei tappt im Dunkeln und aktiviert darum die maskierte Spezialagentin. Spuren führen zu einem irren Wissenschaftler, der sich auf einem Schiff an illegalen Experimenten an Wrestlern versucht. Den besonderen „Saft“ der Wrestler extrahiert er, um einen Supersoldaten/-helden/-whatever zu schaffen. Das gelingt, und der macht schließlich Jagd auf unsere coole Fledermausfrau im Cape, Bikini und hochhackigen Schuhen. Später taucht auch noch eine Supersoldatin auf, um dem ganzen albernen Irrsinn die (prä-feministische) Krone aufzusetzen. Ja! Geil! Muss man gesehen haben.
Also haltet lieber die Augen nach dem Ungewöhnlichen im Gewöhnlichen auf, weil ihr lieben Leser ja eh alle Comics, Videospiele, Filme und das superweiche Batman-Toilettenpapier daheim habt.
MARCUS CISLAK