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Zwischen Modezirkus und Genauigkeit

Man könnte meinen, Karl Lagerfelds Leben sei ohnehin ein Fantasy-Comic der Fashion-Götter gewesen: der ewige Zopf, die dunkle Brille, die spöttischen Bonmots. Michele Botton (Autor) und Filippo Beretta (Illustrator) greifen diesen Gedanken in KARL LAGERFELD – EINE ILLUSTRIERTE GESCHICHTE auf und setzen Lagerfelds Biografie als Graphic Novel um. Das Ergebnis ist ein Buch für Modefans und Comic-Liebhaber gleichermaßen.

Die Graphic Novel deckt die wichtigsten Stationen im Leben des Modezaren ab: Lagerfelds frühe Jahre in Hamburg, sein Umzug nach Paris, die ersten großen Erfolge bei den Fashion-Häusern Balmain und Chloé und schließlich seine legendäre Ära bei Chanel. Die Fakten bleiben sachlich korrekt – wenn auch bewusst gestrafft, damit die Biografie nicht zu einem lexikalischen Mammutwerk wird.

Wer eine wissenschaftliche Abhandlung erwartet, sollte zum klassischen Sachbuch greifen. Doch die Eckdaten stimmen, und die Darstellung bleibt nah an belegbaren Fakten.

Besonders reizvoll ist, dass das Buch auch die weniger bekannten Facetten Lagerfelds aufleuchten lässt: seine Fotografie, seine tiefe Liebe zur Literatur und die gelegentlich scharfzüngigen Kommentare zur Modewelt – trotz oder gerade wegen seiner zentralen Rolle in ihr.

Die komplexen Machtspiele der Pariser Haute Couture werden vereinfacht und wirken eher wie pointierte Schlagabtausche als wie zermürbende Konkurrenzkämpfe. Das ist jedoch kein Nachteil, sondern Teil des formalen Konzepts. Die historische Genauigkeit konzentriert sich auf das Wesentliche – wie die maßgeschneiderten Anzüge, die Lagerfeld so schätzte.

Ein Zeichenstil für den Zar

Filippo Berettas Zeichnungen sind klar, elegant und leicht karikaturhaft – genau wie Lagerfeld, ohne ins Lächerliche abzurutschen. Die Figur wirkt wie eine Mischung aus Marvel-Held und strengem Kunstprofessor: übergroße Brille, scharf geschnittene Silhouette, immer mit einem Hauch Ironie.

Die Panels sind häufig in reduzierten Farben gehalten und setzen gezielte Akzente – fast so, als würde man durch Lagerfelds äußerst monochromen Kleiderschrank blättern.

Auch der Humor kommt nicht zu kurz. Gibt Lagerfeld einen bissigen Kommentar ab, hebt er die Augenbraue so übertrieben, dass man unwillkürlich schmunzelt. Wenn er Chanel neu definiert, erscheint er beinahe wie ein Architekt, der statt Stadtplänen Mode entwirft.

Das Buch schafft einen stilsicheren Spagat zwischen Respekt vor dem Designer und spielerischer Leichtigkeit. Man erfährt genug, um seine Bedeutung zu begreifen, darf aber ebenso über seine Eigenheiten schmunzeln. Die Graphic Novel nimmt ihn ernst – aber nicht zu ernst. Vermutlich ganz in seinem Sinne, denn Lagerfeld selbst war ein Meister darin, seine Persona zwischen Genie und Selbstparodie auszubalancieren.

Fazit

KARL LAGERFELD – EINE ILLUSTRIERTE GESCHICHTE ist keine trockene Biografie, sondern eine visuell pointierte Hommage. Historisch korrekt in den Grundlagen, künstlerisch frei in der Inszenierung, humorvoll im Ton.

Wer Lagerfelds Leben kennenlernen will, ohne ein mehrbändiges Standardwerk zu wälzen, findet hier eine elegante und unterhaltsame Alternative. Und wer bereits alles über ihn weiß, wird die Illustrationen lieben – sie zeigen Lagerfeld so, wie er sich vielleicht selbst gerne gesehen hätte: als Comicfigur mit Stil.

LILI SCHMIRGAL

Originaltitel: KARL LAGERFELD - DIE ILLUSTRIERTE GESCHICHTE
Autor: Michele Botton
Illustrator: Filippo Beretta
Seiten: 128
Verlag: Prestel