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Radu´s Gaming Corner: „South of Midnight“ – Liebe auf den zweiten Blick

Ihr kennt das; da hat man seine Highlights in Sachen Gaming durchgespielt und fragt sich, was man als Nächstes angehen sollte. Die Pile of Shame aufräumen oder doch nach Sonderangeboten suchen? 

In meinem Fall war es der Xbox Gamepass, bei dem ich einige Schwergewichte am Start hatte. „Doom- The Dark Ages“ und „Elder Scrolls- Oblivion“ hatte ich bereits in Arbeit, aber irgendwie brauchte ich etwas anderes. Da fiel mir auf, dass mein Abo in wenigen Tagen ablaufen würde. Stellt sich dir Frage: hat das überhaupt noch Sinn? Also kurz durch die Bibliothek gescrollt und dabei „South of Midnight“ entdeckt, was auch ein Grund für mein Abo war (aber aufgrund anderer Titel schnell unter dem Radar verschwand). „Nur mal eben reinschauen“ dachte ich mir und zwei Stunden später verlängerte ich mein Abo beim Gamepass. Hier meine Geschichte, die ich mit der Protagonistin Hazel erlebt habe.

Großes (Des-) Interesse?

Der Anfang spielt sich langsam; ich schlüpfe in die Rolle der Hauptprotagonistin Hazel, die mit ihrer Mama in einer Hütte in den Südstaaten lebt. Während eines Unwetters wird die Hütte (samt Mama) weggeschwemmt und ich begebe mich auf die Suche nach ihr. Dabei fallen mir geisterhafte Schleier auf, die mich umgeben und gleichzeitig zu rufen scheinen. Während eines ersten (gelungenen) Parcours entdecke ich die Möglichkeit, mit Geisterfäden die Realität zu beeinflussen. Auch wenn der Anfang sich ein wenig schleppend spielt, verbirgt sich unterschwellig etwas, das mich reizt einfach weiterzumachen. Der erste Eindruck will mich eigentlich das Spiel deinstallieren lassen; die kantigen Gesichtszüge, die bunte Spielwelt und die Geisterfäden, die mir nicht mystisch oder finster genug sind (bin ja schließlich Dark Souls Atmosphäre und Horrorgames gewohnt). Nach der ersten größeren Quest war jedoch klar: hier hat man eine verborgene Perle gefunden, die noch einige Überraschungen bereithält.

Eine Geschichte will erzählt werden

Die bunte Welt könnte glatt einem Märchen entstammen, allerdings sind die Themen hier sehr düster (u. a. Verlust, Tod und Abhängigkeit) und bilden einen sehr gelungenen Kontrast zur bunten Welt. Gerade die Geschichten sind es, die hier bei der Stange halten und die Langzeitmotivation felsenfest einbetonieren. Die Bandbreite erstreckt sich von leichtem Unmut, bis zum Kampf mit den Tränen; „South of Midnight“ versteht es sehr gut empfindliche Themen auf seine authentische Weise zu erzählen und direkt ins Herz zu treffen. Neben den Themen und der symbolischen Spielwelt hat der Soundtrack ein sehr großes Gewicht, der eigens für das Spiel geschrieben wurde. Wir befinden uns komplett im Südstaaten Modus, wo die Musik noch eine große Rolle im täglichen Leben gespielt hat und alltägliche Situationen beschreiben hat. In Kombination mit den Themen hat es mich direkt bei der ersten Geschichte ehrfürchtig Staunen und eine Gänsehaut erfahren lassen. 

Fight and Run

Das Spielprinzip unterteilt sich in Erkunden, Kämpfen und Parcourspassagen. Das Erkunden ist optional und man kann auch dem Geisterhauch folgen, um sich schnell durch die Hauptstory zu arbeiten. Abseits gibt es etwas Loot und liebevoll gestaltete Umgebungen zu entdecken, die für die Hauptgeschichte ergänzend, aber nicht notwendig sind. Die Kämpfe gestalten sich zum größten Teil einheitlich: gehe zum Knotenpunkt, verkloppe die 3 unterschiedlichen Gegnertypen und schließe den Knotenpunkt, um den weiteren Weg bzw. eine Erinnerung freizuschalten. Nett gemacht, aber aufgrund der übersichtlichen Gegnertypen nichts Besonderes. Bei den Bossgegnern sieht es da jedoch komplett anders aus, denn da hat man sich sehr viel Mühe gegeben, abwechslungsreiche und spannende Kämpfe zu inszenieren, die sehr großen Spaß machen. Die Parcourspassagen spielen sich erfreulich flüssig und die Steuerung reagiert zuverlässig, was einen sehr soliden Spielfluss garantiert. Auch die abwechslungsreichen Details (Springen, Gleiten, an Wänden rennen und Geistergegenstände sichtbar machen und bewegen) machen einiges her und lassen zu keiner Zeit Langeweile aufkommen. In Kombination mit der Geschichte als Spielmotivation hat man hier ein sehr rundes Spielerlebnis, das stundenlang beschäftigen kann.

Charaktere

Kein Spoiler, nur eine kurze Anmerkung: wenn man glaubt, dass der Wels (den man als Erstes trifft) cool gemacht ist, wird sich auf viele weitere Charaktere freuen können. Hier wurde viel Liebe zum Detail und Herzblut investiert, um die Motivation der Charaktere zu beleuchten und zu verstehen. Dabei verschwimmen oft die moralischen Grenzen, sodass man einige Entscheidungen nicht gutheißen, aber durchaus verstehen kann. Auch wenn das Spiel sehr linear ist, wirkt alles ausgesprochen dynamisch und jeder Charakter und Bossgegner hat hier seine Daseinsberechtigung und Identität.

Fazit

„South of Midnight“ hat das große Pech, inmitten von einer Flut sehr großer Spiele veröffentlicht zu werden. Während man noch mit „Kingdom Come2“ oder „“Oblivion“ beschäftigt ist, werden „Doom“ und „Elden Ring- Nightreign“ bereits alles in die Waagschale, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Vom Überraschungshit „Clair Obscur: Expedition 33“ (siehe auch unser Test und Video auf YouTube) will ich erst gar nicht anfangen. Kein Wunder, dass diese Perle also leider unter dem Radar geblieben ist. Aber vielleicht sollte man das Sommerloch ausnutzen, um gerade dieses Kleinod einmal anzutesten. Wer sich nicht sicher ist, ob sich der Titel lohnt (40 Euro sind für ca. 15 - 20 Spielstunden völlig OK), sollte dem Spiel beim Xbox Gamepass eine Chance geben. Plant eine Stunde mit ein, denn ich musste mich ein wenig daran gewöhnen. Danach aber hat es mich nicht losgelassen und ich habe viele emotionalen Momente bekommen, mit denen ich nicht gerechnet habe. Wer einen Eindruck davon bekommen möchte, kann sich das Let´s Play Video auf unserem YouTube-Kanal anschauen.

Sebastian Radu Groß