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Die Maden kriechen wieder

Mit ZOMBIE ZONE GERMANY: WAS EINMAL WAR liegt nach einem Neustart der Reihe die dritte Anthologie mit Kurzgeschichten vor.

Zombie Zone Germany war 2013 im Amrûn Verlag als literarisches Projekt gestartet – und wurde inzwischen einem Reboot unterworfen, wobei nun stark auf eine zahlende Patreon-Community und weitere Formate wie ein Rollenspiel oder Magazin gesetzt wird. Die inzwischen drei Anthologien der Reihe (alle Texte sind in sich abgeschlossen) bieten sich als Einstieg in eine düstere Literaturwelt an, wobei Manuskripteinreichungen willkommen sind. Hier erfahren Neugierige, welches Schicksal einzelne (Gruppen von) Menschen nach der im Mai 2020 in Hamburg durch gezüchtete Maden ausgelöste Zombieapokalypse ereilt hat – ein wenig Lokalkolorit inklusive. Im jüngst erschienenen Band WAS EINMAL WAR hat die hauptberuflich als Lektorin arbeitende Herausgeberin Carolin Gmyrek, die selbst bereits eine Novelle zur Reihe beisteuerte, zwölf Kurzgeschichten versammelt.

Ihr Beitrag „7 Tage“ spielt nur wenige Tage nach dem verheerenden Ausbruch der Seuche im Mikrokosmos einer Craft-Beer-Bar, die sich in der KarLi, also mutmaßlich im Zentrum von Leipzig befindet. Eine Gruppe von vier Personen wird Zeuge von Evakuierungen der Anwohner, versorgt sich in den leer stehenden Wohnungen, verharrt in der Kneipe und versorgt sich mit Würstchen, Brot und – nun ja – mit Bier. Zuweilen scheint unter den genügsamen Figuren der stoische Bohème-Charme aus den Romanen Sven Regeners durch, gepaart mit den typischen Ausfallerscheinungen und näher kommenden Einschlägen: Strom und Wasser fließen irgendwann nicht mehr, Untote wanken zur Tür. Ein starker, dramaturgisch stimmiger Beitrag mit glaubwürdig agierenden Figuren!

Stark ist auch „Dickes Blut & Klares Wasser“ von Oliver Bayer rund um eine Politikerin und ihre Familie auf dem Weg nach Berlin zum Bundestag zu einer wichtigen Abstimmung. Dabei merken die verhassten Halbgeschwister Chiara und Lisa, dass sie sich eigentlich beide für Tiere engagieren – und söhnen sich aus. Temporeich, spannend und verwoben! Bei einigen originellen Beiträgen – etwa „Bibi“ von Monika Loerchner rund um eine Teenager-Clique und ein fatal getriggertes kleines Mädchen – sticht auch einer negativ heraus: „Große Freiheit“ von Emily Tara Todd wirkt reichlich konstruiert. Nach einem Millionengewinn durch Betrug bei einer Fernseh-Quizshow fährt Gillian Scully (ja, die Eltern waren „Akte X“-Fans) nach Hamburg, um eine nicht näher definierte Person oder Erscheinung (SIE) nach der Geldübergabe endlich loszuwerden – natürlich direkt in die Tumult nach dem Aufkommen der Seuche. Zu gestelzt wird ein bedeutungsschwangeres Andocken an den Ausbruch versucht, zu Vieles bleibt in Andeutungen stecken.

Wer die Autor*innen genau sind, bleibt unklar: Für eine Doppelseite mit Kurz-Biografien fand sich in der Kurzgeschichtensammlung ZOMBIE ZONE GERMANY: WAS EINMAL MEHR kein Platz. Das wirkt leider etwas lieblos für ein originelles und erfrischendes Projekt, in dem schon seit Jahren sehr viel Herzblut steckt. 

PS: Hier geht es zu einer Besprechung der zweiten Anthologie aus dem Jahr 2020.

LUTZ GRANERT

Titel: ZOMBIE ZONE GERMANY: WAS EINMAL WAR
Autorin: Carolin Gmyrek (Hrsg.)
Verlag: Amrûn Verlag
Erscheinungsform & Seitenzahl: Taschenbuch, 260 Seiten
Verkaufsstart: veröffentlicht

ZZG, amrun verlag, zombies, belletristik