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Die Comicfigur „Superman“ löste nach seiner Erstveröffentlichung 1938 einen wahren Boom von Superhelden-Comics aus. Eng mit seinen Abenteuern verbunden waren der Zeichner Joe Shuster und der Autor Jerry Siegel, zwei jüdische Freunde, die aus Blauäugigkeit die kompletten Rechte an der von ihnen geschaffenen Figur für einen Scheck über 130 US-Dollar an den Verlag National Publications abtraten, während dieser damit Millionen verdiente. Rechtsstreits blieben im Nachhinein erfolglos und noch härter als Jerry Siegel traf das Schicksal Joe Shuster, der arbeitslos wurde und durch zunehmende Augenprobleme und hohe Arztrechnungen schließlich verarmte. Erst kurz vor Start des „Superman“-Kinofilms, als Jerry Siegel in einem Brief auf die große Ungerechtigkeit aufmerksam machte, gestand Filmverleih Warner – zu dem inzwischen DC Comics gehörten, wo „Superman“ erschien – den beiden Comickünstler ab Dezember 1975 eine monatliche Rente zu.

Diese wahre Geschichte erzählt Autor Julian Voloj in seiner hervorragenden Graphic Novel-Biografie JOE SHUSTER – VATER ALLER SUPERHELDEN aus der Sicht seines Protagonisten, der 1975 schlafend auf einer Parkbank von einem Polizisten angesprochen wird. Als Advocatus Diaboli fungiert in der Geschichte „Batman“-Schöpfer Bob Kane. Ihm kam für die Erschaffung des „dunklen Ritters“ der Ruhm zu, während sein Freund Bill Finger und Zeichner Jerry Robinson ebenso großen Anteil daran hatten. Sicherte er Jerry Siegel und Joe Shuster zunächst seine Solidarität bei einem Rechtsstreit zu, handelte Kane beim Verlag nur einen besseren Vertrag für sich selbst aus – und widerrief seine angekündigte Unterstützung. Zeichner Thomas Campi, der den langen Rückblenden in JOE SHUSTER – VATER DER SUPERHELDEN mit großen monochromen Flächen mit fließenden Farbübergängen einen impressionistischen Anstrich verleiht, findet für diesen Egoismus ein treffendes Bild: Kane verwandelt sich dabei in seine eigene Bösewicht-Schöpfung, den Joker. Auch Motive aus „Superman“ tauchen in den Zeichnungen Campis auf, wenn Jerry Siegel auf dem Gipfel seiner Schöpfungskraft mit Speedlines aus dem Fenster fliegt und abhebt Richtung Himmel. Die Ereignisse in der Gegenwart, 1975, konturiert Campi hingegen etwas klarer mit konkreten Strichen und arbeitet auch mit sichtbaren Umrandungen, die die – im doppelten Wortsinne – subjektive Färbung von Shusters Erinnerungen hinter sich lassen.

JOE SHUSTER – VATER ALLER SUPERHELDEN ist eine sowohl inhaltlich durch ihren Detailreichtum wie zeichnerisch durch ihr Spiel mit dem Sujet überzeugende Graphic Novel, die einzig durch die billig wirkende Aufmachung des Nachworts etwas enttäuscht. Hier berichtet „Die Judenbuche“-Autor Julian Voloj auf fünf Seiten von den Spuren, die Joe Shuster in seiner Heimatstadt Cleveland hinterlassen hat und die ihn auf seine Fährte gebracht haben – allerdings in einem plumpen Text-Bild-Layout, das an simples Word Art erinnert.

LUTZ GRANERT

 

Titel: JOE SHUSTER – VATER DER SUPERHELDEN
Verlag: Carlsen
Autor/Zeichnungen: Julian Voloj/Thomas Campi
Erscheinungsform/Seitenzahl: Hardcover, 175 Seiten
Erscheinungstermin: veröffentlicht