Ghost in a Shell- Unsere Psyche in Videospielen
Unser Lieblingsmedium hat seit Jahren bereits sein Nischendasein verlassen; ursprünglich als Hobby für kleinere (und später immer größere) Kinder gedacht, hat sich längst in unserer Gesellschaft etabliert. Egal, ob als netter Zeitvertreib, geselliges Zocken auf einer Party oder leidenschaftliches Hobby mit Herzblut- das Gaming erfreut sich bei vielen von uns als fester Bestandteil des Lebens. Doch was macht eigentlich die Faszination daran aus und wie wirken sich Spiele auf unsere psychische Entwicklung aus?
Um es auf den Punkt zu bringen: Videospiele sind in erster Linie wertschätzend! Im Vergleich zu einem Film, dem wir passiv folgen können, geben uns Videospiele die Macht, das Geschehen auf dem Bildschirm zu beeinflussen. Sei es durch Reaktionsvermögen, Entscheidungen in einer Geschichte oder das Lösen von Rätseln; unser persönliches Handeln wird hier durch jeden Tastendruck wertgeschätzt. Das Prinzip ist dabei so simpel, wie effektiv: bereits im Kindesalter lernen wir durch Spielen, unsere Geschicklichkeit zu steigern (Bauklötze, Lego), Alltagssituationen zu reflektieren und meistern (Rollenspiele mit Puppen oder Actionfiguren) oder durch Niederlagen zu Wachsen (wie oft sind wir vom Fahrrad gefallen, bis wir es endlich draufhatten?). Dieses Prinzip hat sich die Gaminindustrie zunutze gemacht, um uns auch im Erwachsenenalter weiterhin zu unterhalten und (teilweise) geistig zu fördern.
Natürlich ersetzt das Gaming weder eine regelmäßige Bewegung des Körpers, eine gute Erziehung oder die Gesellschaft mit anderen Menschen. Aber im Laufe der Jahre und mit den technischen Möglichkeiten wird das alles gut ergänzt. Natürlich gibt es auch schwarze Schafe darunter, wenn z.B: ein Spiel schlecht programmiert ist. Einige Spiele dienen auch „nur“ zur Unterhaltung und haben ihrer Bandbreite die gleiche Wirkung, wie ein Film; sie unterhalten uns gut und verlangen lediglich zwischendurch ein Quicktime - Event. Bei anderen wiederum werden wir nicht nur in Sachen Geschicklichkeit gefördert, sondern auch mental ausgelastet.
Übung macht den Meister
Mittlerweile ist die Dark Souls Reihe längst zu einem eigenen Genre geworden. Ursprünglich faszinierte mich die Dark Fantasy Atmosphäre, die krassen Endbosse und das Erkunden der morbiden Welt. Der Schwierigkeitsgrad war für mich ein notwendiges Übel, ist bei einigen mittlerweile leider auch Mittel zum Zweck, um anderen ihre Überlegenheit zu beweisen. Das Prinzip ist hier simpel und genial gleichzeitig: „Gehe mit Bedacht vor, respektiere deine Umwelt und lerne aus deinen Fehlern!“ Keine ausufernde Einführung, keine listenartigen Quests, nur du gegen den Rest der Welt und versteckte NPC´s, die dich unterstützen. Das reale Leben ist voll von sichtbaren und unsichtbaren Gefahren und niemand weiß, was hinter der nächsten Nebelwand unseres Alltags für Gefahren lauern. Im Alltag scheitern wir auch, verbringen so manches Mal mehr Zeit damit, uns über den Misserfolg zu ärgern, als diesen zur Chance zum Lernen wahrzunehmen. Wenn ich bei meinem 20. Versuch nicht an Chaos- Hexe Queelag vorbeikomme, sollte ich vielleicht erstmal aufleveln und später wiederkommen, weil ich einfach noch nicht so weit bin. Aldrich, der Götterfresser im 3. Teil hat mit mir sehr häufig den Boden aufgewischt, obwohl ich ein hohes Level hatte. Vielleicht sollte man dann mit den Ressourcen, die man zur Verfügung hat, etwas experimentieren; auch wenn (oder gerade, weil) man weiß, dass dieser Versuch zum Scheitern verurteilt ist, bringt ein winziges Detail beim Versuch den Sieg einen entscheidenden Schritt näher. Doch besser die leichte Rüstung und keine Magie, oder mal den Bogen versuchen? Der Versuch macht klug und irgendwann fiel Aldrich auch endlich meiner Klinge zum Opfer. From Software trieb es mit Sekiro- Shadows Die Twice (oder besser 100-mal) auf die Spitze, indem man den Schwertkampf perfektionieren musste, um den Abspann überhaupt sehen zu können. Saftige 2 Wochen habe ich für den Endboss gebraucht (inklusive Tutorial Videos, Üben und schlaflose Nächte). Mehrfach war ich davor das Game hinzuschmeißen, aber manchmal braucht Übung auch eine Pause von 2 Tagen, ehe man mit neuer Kraft und Motivation wieder einsteigen kann. Das ist auf der Arbeit und im Alltag stellenweise nicht anders; jeder Erfolg muss teilweise hart mit Blut, Schweiß und Tränen erarbeitet werden. Wenn man dann aber einen unüberwindbaren Gegner erlegt hat, steigert dies das Selbstvertrauen und man wächst an seiner Erfahrung, noch größere Herausforderungen zu Meistern.
Jede Entscheidung hat ihre Konsequenzen
Auch unsere Moral wird in einigen Spielen auf eine harte Probe gestellt. Jüngstes Beispiel ist Banishers- Ghosts of New Eden, wo man als Geisterjäger entscheiden muss, ob man eine Person erlöst, oder sie verdammt. Was auf dem Papier so einfach klingt, erweist sich als moralisches Dilemma, wenn man die Hintergrundgeschichte der Person kennt und auch die Konsequenzen deren Handlung mitberücksichtigen muss. Dabei verwischen meist schwarz und weiß zu einer moralischen Grauzone, deren Konsequenzen wir teilweise nicht abschätzen können. Jemanden verschonen, um nicht zum Mörder zu werden? Das kann auch gleich zum Untergang für ein ganzes Dorf führen. Bereits Witcher 3 machte es beim Release eindrucksvoll vor, welche weitreichenden Konsequenzen Entscheidungen haben könne; manche entscheiden über zugängliche Quests, manche über Leben und Tod und wieder andere über das Ende der Hauptgeschichte. Baldur´s Gate 3 ist ebenfalls eine schönes Paradebeispiel für Konsequenzen, denn dieses Rollenspiel überlässt uns derart viele Freiheiten, dass jeder seine eigene Geschichte mit eigenen Protagonisten schreibt. Astarion im Affekt getötet? Seine Hintergrundgeschichte und zugängliche Quest sind für immer weg. Sich an einem Schlüsselmoment für die dunkle Seite entschieden? Der eigene Tod ist damit noch die gnädigste Konsequenz. Es gibt viele Entscheidungen, mit deren Konsequenzen wir leben müssen; allerdings haben wir im Spiel den Vorteil, uns mehrere Szenarien anzuschauen. Paradebeispiel ist Fallout 3, bei dem ich mich einmal entschieden hatte, die Atombombe in Megaton für eine Handvoll Kronkorken scharf zu machen und den Zünder meinem Auftraggeber zu geben. Der Moment, an dem ich dann aus der Ferne zusehen musste, wie die Bombe innerhalb einer Sekunde die ganze Stadt auslöschte, gehörte zu meinem größten Moment der Schande, in meinem Gamingleben. Ich habe dann betroffen jenen Spielstand gelöscht, den alten geladen und die Bombe zerstört. So viel zum Thema, was Videospiele mit uns auch emotional machen können.
Gewalt VS Vernunft
Es ist die alte Leier; in den Nachrichten wird von einer grausamen Straftat berichtet und im Nachgang stellt sich heraus, dass der Täter ruhig und unauffällig war, in seinem Kämmerlein jedoch brutalen Death Metal gehört und gewalttätige Spiele gespielt hat. Für die Nachrichten ein gefundenes Fressen, um die Massen gegen Killerspiele und Metal aufzubringen. Da mich beides betrifft kann ich nur sagen: solche Gewalttaten werden weder durch Musik noch durch Videospiele verursacht oder gefördert. Bei beiden ist es das Erkunden des Verbotenen, Unbekannten und gleichzeitig das Ausreizen der eigenen Extreme. Hat man früher Bon Jovi gehört und sich langsam über Metallica bis zu Cannibal Corpse vorgearbeitet, bedeutet das noch lange nicht, dass man mit einer Waffe loszieht, um das Gehörte in die Tat umzusetzen. Gleiches gilt für Videospiele, bei denen man in bester Doom Manier alle Aliens abschlachtet oder bei Mortal Kombat den Gegner auf brutalste Weise einen Fatality spendiert. Die Ursache für solche Gewalttaten liegen woanders begraben; gewalttätiges Umfeld, negative Erfahrungen und/oder psychische Erkrankungen können Ursachen dafür sein. Bei Splatterorgien wie Mortal Kombat oder Call of Duty geht es darum, sein eigenes virtuelles Überleben zu sichern und den Job zu erledigen. Dabei noch knackige Musik hören und schon ist der Shooterspaß perfekt. Einige Spiele setzen dabei auf schwarzen Humor, andere neigen zu Übertreibungen, indem sie Verbotenes (Sex, Blut & Gewalt) zwar eindrucksvoll in Szene setzen, aber die Spielmechanik eher Nebensache ist (Beispiel: Agony). Andere nutzen die Gewalt und den emotionalen Terror mit Bedacht, um beim Spieler eine bleibende Erinnerung zu hinterlassen, die auch Jahre später noch nachhallt (beide The Last of Us Spiele).
Psychosen als Spiegel der Seele
In Spielen sind wir meistens ein strahlender Held oder ein knallharter Protagonist, der seinen Gegnern das Fürchten lehrt. Was würde allerdings passieren, wenn der eigentliche Held unter einer psychischen Erkrankung leidet? Eine Frage, die sich Ninja Theory zurecht gestellt haben und mit Hellblade- Senua´s Sacrifice eine epische Inszenierung in Eigenregie auf die Beine gestellt haben. Das Rätseln nervt auf Dauer, die Kämpfe sind OK, aber die Grafik, die Atmosphäre und besonders der Sound sind definitiv ein charismatisches Alleinstellungsmerkmal. Senua hört in ihrem Kopf Stimmen und wird von Visionen geplagt; dadurch bekommt man als Spieler einen sehr realistischen Eindruck von Psychosen bzw. von psychischen Erkrankungen generell. Dadurch ebnet das Spiel Verständnis für psychische Erkrankungen, die in der Gesellschaft teilweise als Tabuthema bzw. mit einer sehr geringen Aufmerksamkeit betrachtet wurden. Wenn Spiele Verständnis für einer Erkrankung verschaffen, kann das grundsätzlich doch nur positiv sein, oder?
Fazit:
Was machen also Videospiele mit uns? Sie unterhalten, sie fördern die Geschicklichkeit, unterstützen teilweise das gesellige Zusammensein und können uns sogar in unserer geistigen Gesundheit bestärken. Den unmöglichen Gegner nach dem 80. Versuch endlich zu erlegen, eine emotionale Quest erfolgreich abschließen oder die Welt durch einen anderen Gesundheitszustand zu betrachten sind einige Möglichkeiten, um Werte wie Fleiß, Demut und Verständnis gegenüber seinen Mitmenschen zu fördern. Spiele können uns nicht vor den Herausforderungen des Alltags beschützen, aber sie geben uns die Motivation, mit Herzblut und gleichzeitig spielereischer Leichtigkeit an unserer eigenen Weiterentwicklung konstant zu arbeiten.
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